Über die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts im Zuge des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020, Stand März 2021
Der folgende Überblick soll in möglichst kurzer und knapper Form einen Einblick in die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts geben, bildet jedoch nicht alle Gesetzesänderungen und Anpassungen in vollumfänglicher Breite und Tiefe ab.
EINFÜHRUNG
Nach verschiedenen Anläufen und langwierigen Erörterungen hat der Gesetzgeber nunmehr mit dem Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) vom 21.12.2020 die Bestimmungen zum Gemeinnützigkeitsrecht reformiert. Die zentralen Änderungen kommen weitgehend bereits für den Veranlagungszeitraum 2020 zum Tragen. Im Anschluss an das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts (Ehrenamtsstärkungsgesetz) vom 21.03.2013 nutzt er damit nach sieben Jahren erneut die Gelegenheit, gemeinnützigkeitsrechtliche Rahmenbedingungen mit bedeutenden Akzenten an die praktischen Bedürfnisse und gesellschaftliche Entwicklungen anzupassen.
Das am 21.12.2020 ausgefertigte Artikelgesetz ist am 28.12.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Die Gesetzesänderungen des JStG 2020 treten hinsichtlich der gemeinnützigkeitsrechtlichen Anpassungen weitgehend bereits am Tag nach der Verkündung in Kraft. Die Änderungen der Abgabenordnung, wie z.B. das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung, gelten seit dem 28.12.2020 (Tag der Verkündung), Änderungen wie die Anhebung der Übungsleiterpauschale gelten seit dem 01.01.2021, das Zuwendungsempfängerregister tritt erst zum 01.01.2024 in Kraft.
Aktueller Stand
Das neue Gesetz tritt mit vielen neuen Regelungen in Kraft, es besteht jedoch noch kein Anwendungserlass zur Abgabenordnung zur konkreten Umsetzung. Dieser wird im 1. Halbjahr 2021 erwartet. Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) ist eine interne Verwaltungsanweisung zur Auslegung der Abgabenordnung. Der Anwendungserlass bindet die Finanzverwaltung der Länder (Landesfinanzverwaltung, Steuerverwaltung).
NEUERUNGEN
Ehrenamtliches Engagement
- Erhöhung des Übungsleiterfreibetrags von 2.400 Euro auf 3.000 Euro (§ 3 Nr. 26 EStG 01.01.2021)
- Erhöhung der Ehrenamtspauschale von 720 Euro auf 840 Euro (§ 3 Nr. 26a EStG 01.01.2021)
- Erhöhung der Nichtanrechnungsgrenzen für ALG II, Sozialhilfe, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem Bundesversorgungsgesetz sowie für ALG I auf 250 Euro
Spendenrecht
- Anhebung der Grenze für den vereinfachten Spendennachweis (Kleinspendenregelung) von 200 Euro auf 300 Euro (01.01.2020)
- Einführung eines Zuwendungsempfängerregisters ab 01.01.2024
Regelung zur Führung eines Registers für Zuwendungsempfänger, d.h. für Körperschaften, die die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 AO oder des § 34g EStG erfüllen.
Übermittlungspflicht für Daten i.S.d § 60b Abs. 2 AO an Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). - Ausstellung von Zuwendungsbescheinigungen nach amtlichem Muster ist ab 01.01.2025 auch durch ausländische Körperschaften erforderlich (§ 50 EStDV Abs. 2d).
Gemeinnützige Zwecke
Neue gemeinnützige Zwecke, Erweiterung des Zweckkatalogs des § 52 Abs. 2 S. 1 AO
- Klimaschutz § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 8 AO (gesetzliche Hervorhebung des Klimaschutzes)
- § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 10 AO “rassisch” durch “rassistisch” ersetzt; Förderung der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 10 AO (Anpassung an eine moderne gesellschaftliche Entwicklung und Schutz der benannten Personen)
- Ortsverschönerung § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 22 AO (grundlegende Maßnahmen für die Verbesserung der örtlichen Lebensqualität im Dorf bzw. Stadtteil)
- Freifunk § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 23 AO (nichtkommerzielle Initiativen, die sich der Förderung der lokalen Kommunikation sowie der technischen Bildung, dem Aufbau und Betrieb eines lokalen freien Funknetzes widmen => Aufbau einer digitalen Gesellschaft)
- Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und Gedenkstätten § 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 26 AO (auch Unterhaltung von Gedenkstätten für “Sternenkinder”)
Neue Zweckbetriebe
Flüchtlingshilfeeinrichtungen als Zweckbetrieb § 68 Nr. 1 c AO: Durch die gesetzliche Klarstellung soll steuerbegünstigten Körperschaften der Nachweis der Hilfsbedürftigkeit im Einzelfall nach § 53 AO (Mildtätige Zwecke) abgenommen werden, da die Erfahrung gezeigt hat, dass Flüchtlinge regelmäßig aufgrund ihrer psychischen, physischen oder wirtschaftlichen Situation zu den hilfsbedürftigen Personen nach § 53 AO zählen.
Erweiterung der Zweckbetriebseigenschaft des § 68 Nr. 4 AO um die „Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen beziehungsweise Behinderungen“ § 68 Nr. 4 AO
Vormals: Einrichtungen, die zur Durchführung der Fürsorge für blinde Menschen bzw. zur Durchführung der Fürsorge für körperbehinderte Menschen unterhalten werden.
Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb
Die Freigrenze für die Steuerpflicht eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs wird in § 64 Abs. 3 AO von 35.000 Euro auf 45.000 Euro Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer angehoben; d.h. übersteigen die Einnahmen die Grenze von 45.000 Euro im Jahr wird auf die gesamten Einnahmen in diesem Bereich Körperschaft- und Gewerbesteuer erhoben (Ausnahmeregelung zu sportlichen Veranstaltungen gem. § 67a Nr. 2 AO).
Damit verfolgt der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse den Zweck, kleinere steuerbegünstigte Körperschaften von bürokratischen und administrativen Pflichten zu entlasten.
Exkurs: Selbstlosigkeit, Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit
Selbstlosigkeit (§ 55 AO): Die Selbstlosigkeit ist die zentrale steuerrechtliche Voraussetzung für die Feststellung der Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung (AO). Eine selbstlose Tätigkeit im Sinne des § 55 AO ist die Förderung oder Unterstützung, „wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden“.
Ausschließlichkeit (§ 56 AO): Ausschließlichkeit liegt vor, wenn eine Körperschaft nur ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgt.
Unmittelbarkeit (§ 57 AO): Die Vorschrift stellt klar, dass die gemeinnützige Organisation die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichen muss oder sich zur Verwirklichung einer entsprechenden Hilfsperson bedient. Hilfsperson kann eine natürliche Person, Personenvereinigung oder juristische Person sein.
Selbstlosigkeit, zeitnahe Mittelverwendung
Die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung wird für kleine Organisationen bei jährlichen Einnahmen bis zu 45.000 Euro aufgehoben (§ 55 AO).
(Jährliche Einnahmen = kumulierte Einnahmen des ideellen Bereichs, des Zweckbetriebs, der Vermögensverwaltung und des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs)
Die vorgenommene Erleichterung entlastet insbesondere kleinere steuerbegünstigte Körperschaften und ermöglicht es diesen, Mittel anzusparen, um in ihrer Zweckverwirklichung (zu einem späteren Zeitpunkt) eine größere (finanzielle) Wirksamkeit zu erzielen. Damit entfällt auch eine Nachweispflicht der Rücklagenbildung für Organisationen.
Beachte: Bei schwankenden Einnahmen = Wechselfall mit entsprechend jährlicher Betrachtung, AEAO ist zur Konkretisierung abzuwarten.
Mittelweitergabe
Bisher schrieb der AEAO vor, dass die Mittelbeschaffung durch eine steuerbegünstigte Körperschaft für eine andere steuerbegünstigte Körperschaft (sog. Mittelbeschaffungskörperschaften) als Satzungszweck festgelegt werden muss und der Zweck, für den die Mittel weitergeleitet werden, von den Satzungen beider Institutionen gedeckt ist (vgl. AEAO zu § 58 Nr. 1 Satz 1 AO). Durch die Zusammenfassung von § 58 Nr. 1 und Nr. 2 AO in einem Passus entfällt diese Notwendigkeit nach dem neuen Recht.
Die Neuregelung schafft für steuerbegünstigte Körperschaften zwei Erleichterungen:
Gemeinnützige Organisationen können ihre Mittel gemeinnützigkeitsrechtlich unbegrenzt auch für satzungsfremde Zwecke an andere steuerbegünstigte Körperschaften im In- und Ausland weitergeben.
Gemeinnützige Organisationen können nun sämtliche Vermögenswerte, d.h nicht nur Geld- oder Sachwerte, sondern auch Nutzungen und Dienstleistungen, anderen steuerbegünstigten Körperschaften im In- und Ausland zuwenden.
Zukünftig ist die Mittelbeschaffung für andere steuerbegünstigte Körperschaften nur noch als Zweckverwirklichungsmaßnahme einzustufen, die als solche nur in die Satzung aufgenommen werden muss, wenn es die einzige Form der Zweckverwirklichung durch die gemeinnützige Körperschaft darstellt. Es empfiehlt sich dennoch weiterhin, die institutionelle Förderung als Zweckverwirklichungsmaßnahme in der Satzung zu berücksichtigen. Als schwierig könnte sich jedoch künftig erweisen, dass die Weitergabe von Mitteln an ausländische Organisationen nun auch an deren Status als steuerbegünstigte Körperschaft geknüpft ist.
Mittelweitergabe – Vertrauensschutz
Bis zum Jahressteuergesetz war nicht klar geregelt, inwieweit die Geberkörperschaft die Empfängerkörperschaft kontrollieren muss und ggf. haftet, wenn die Mittel nicht für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Die neue Regelung mit der Ergänzung zum Vertrauensschutz soll dafür Abhilfe schaffen.
Nach § 58a Abs. 1 AO darf eine steuerbegünstigte Körperschaft nunmehr darauf vertrauen, dass eine Empfängerkörperschaft im Zeitpunkt der Zuwendung steuerbegünstigt ist und die Zuwendung für steuerbegünstigte Zwecke verwendet, wenn sich die zuwendende Körperschaft zum Zeitpunkt der Förderung die Steuerbegünstigung der empfangenden Körperschaft hat nachweisen lassen.
Unmittelbarkeit – Kooperationen
Nach § 57 Abs. 3 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfüllt, einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht.
Durch diese gesetzliche Neuregelung wird es steuerbegünstigten Körperschaften (im Rahmen eines Konzernverbundes) ermöglicht, Leistungen steuerbegünstigt untereinander zu erbringen. All das ist jedoch noch mit einer Vielzahl an offenen Fragen verbunden!
Unmittelbarkeit – Holdingfunktion
Bis zuletzt galt das reine „Halten und Verwalten“ von ausschließlich steuerbegünstigten Kapitalgesellschaften nicht als gemeinnützige Tätigkeit, da die Holding damit nicht selbst gemeinnützige Zwecke verwirklicht hat und somit nicht unmittelbar gemeinnützig tätig war.
Nun soll allein schon das ausschließliche Halten und Verwalten von Beteiligungen an steuerbegünstigten Körperschaften als „unmittelbare“ steuerbegünstigte Tätigkeit gelten. Diese Einordnung kann sich mitunter aber auch nachteilhaft auswirken.
Ablehnung der Feststellung satzungsmäßiger Gemeinnützigkeit
Für neu gegründete steuerbegünstigte Körperschaften ist von den Finanzbehörden der Erlass eines Bescheids nach § 60a AO abzulehnen, wenn bereits Erkenntnisse vorliegen, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt, § 60a Abs. 4 AO. Dadurch kann in Missbrauchsfällen – wie z.B. bei extremistischen Organisationen – bereits in einem frühen Stadium der Rechtsschein der Gemeinnützigkeit beseitigt bzw. das Entstehen eines Rechtsscheins verhindert und das Vertrauen des Spenders auf die korrekte Verwendung der von ihm zugewendeten Spende erhöht werden.
FAZIT
Die Änderungen bringen viele Erleichterungen und Verbesserungen, lösen jedoch noch lange nicht alle Probleme. Auch wenn die Gemeinnützigkeitsreform nicht alle Erwartungen aus Wissenschaft und Praxis erfüllt, bringt diese durch Steuerentlastungen und Bürokratieabbau eine Reihe von Verbesserungen, die die tägliche Arbeit von Non-Profit-Organisationen erleichtern werden.
Auf der Positivseite stehen unter anderem fünfeinhalb neue Zwecke, darunter Klimaschutz und die Hilfe gegen Diskriminierung wegen geschlechtlicher Orientierung/Identität. Es fehlen weitere neue Zwecke wie Förderung der Menschenrechte sowie eine gesetzliche Klarstellung zur politischen Betätigung für gemeinnützige Zwecke (große Verunsicherung in der Praxis sowie Beschränkungen durch Finanzämter).
Insbesondere die geänderten Regelungen zu Kooperationen zwischen steuerbegünstigten Körperschaften ermöglichen ein großes Gestaltungs- und Verbesserungspotenzial.
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